Edel, exklusiv und absolut einzigartig – Aroma-Abenteuer Adlerholz

Liebe auf den ersten Blick? Nicht, was das Adlerholz betrifft! Beim Durchqueren der tropischen Wälder rund um Südostasien und Indochina erkennt nur das geschulte Auge, von welch kostbarem Rohstoff der unscheinbar wirkende Adlerholzbaum bedeckt ist. Sein Holz ist hell und weich, seine Blätter immergrün und unauffällig. Die Rinde des Adlerholzbaumes ist regulären Holzsplittern zum Verwechseln ähnlich – wäre da nicht dieser betörende Duft und ihr beinahe unbezahlbarer Wert.

 

Das Holz wird unter Liebhabern gerne mit Preisen von bis zu 100.000 US-Dollar pro Kilogramm gehandelt. Bis das Gehölz jedoch zu einer derartigen Kostbarkeit heranreift, muss der Baum eine wahre Odyssee über sich ergehen lassen. Begleite uns auf eine spannende Reise durch die unfassbare Metamorphose des Adlerholzbaumes: Finde heraus, wofür die asiatische Baumrinde genutzt wird und wie sie sich schließlich ihren Weg in den Flakon deiner edelsten Düfte bahnt.

 

Die Metamorphose des Adlerholzbaumes

Für die wertvolle Borke des Adlerholzbaumes gibt es zahlreiche Namen: Im Arabischen nennt man sie „Oud“, im asiatischen Bereich „Gaharu“ oder auf Englisch „Argawood“. Auch im deutschen Sprachgebrauch bezeichnen wir das Adlerholz alternativ als Oudh, Paradiesholz oder Aloeholz.

 

In Anbetracht des kostspieligen Verkaufspreises mag man sich kaum vorstellen, dass Adlerholz in seinem Ursprungszustand beinahe wertlos ist. Der Grund für die eklatanten Preisgefälle liegt darin begründet, dass die Rinde in ihrer naturgegebenen Beschaffenheit nahezu geruchlos ist. Den exquisiten Duft erhält das Gehölz erst, nachdem der Baum eine grundlegende Verwandlung über sich ergehen lassen hat. Nur das veränderte Holz weist den typischen Duft auf, für den das Adlerholz sein weltweites Begehren erfährt.

 

Die Metamorphose des Adlerholzes wird einerseits durch die Infektion mit einem speziellen Pilz in Gang gebracht. Dieser Prozess beginnt für gewöhnlich mit einer Verletzung der Rinde. Durch den Stich bestimmter Insekten können bis zu 28 parasitäre Pilze auf den Baum übertragen werden. Sobald dieser infiziert ist, aktiviert er als Schutzreaktion gegen den Pilz seine Abwehrkräfte. Die befallenen Areale härten aus und bilden inmitten des Stammes ein harzartiges Sekret, das das Holz allmählich durchdringt. Obwohl der Vorgang von außen nicht wahrzunehmen ist, erstreckt er sich über etliche Jahrzehnte hinweg und verhilft dem Adlerholz zu seiner unvergleichlichen Modifikation. Im Laufe der Jahre nimmt das ursprünglich so weiche, graue Gehölz einen schwarzbraunen, schweren und äußerst harzhaltigen Charakter an. Die neugewonnene Beschaffenheit verleiht dem Adlerholz in Verbindung mit dem produzierten Harz seine typische Duftnote. Je länger der Pilz im Baum heranreift, desto wohlduftender und kostbarer wird das Holz. Heutzutage werden die Bäume in speziellen Plantagen manuell injiziert, damit sich die betroffenen Stellen punktuell verhärten und den duftbringenden Harz erfolgreich entwickeln.

 

 

Der alternative Prozess zur Wertschöpfung betrifft bereits absterbende Adlerholzbäume und verläuft unter einer langwierigen Fermentierung. Um dem anhaltenden Verrotten unter der Erde oder im Wasser entgegenzuwirken, setzt der Baum seine außergewöhnlichen Abwehrmechanismen in Gang: Er kurbelt die Harzproduktion wirksam an, um sich mit einer erstaunlichen Wasserresistenz und Widerstandsfähigkeit gegen den eigenen Zerfall zu wappnen. Durch das erzeugte Harz bildet sich auch nach dieser Methode über viele Jahre hinweg der signifikante Duftcharakter. Das fermentierte Adlerholz wird im Volksmund auch als fossiles Holz bezeichnet. Da insbesondere im Erdreich begrabene Bäume ihre Abwehrmechanismen zum Teil über mehrere Jahrhunderte mobilisieren, entsprechen ihre Rinden aufgrund der immensen Harzproduktion der höchsten Qualitätsstufe.

 

Vielseitig eingesetzt und weltweit begehrt

Die ganze Welt ist nimmersatt nach dem wohlduftenden Gehölz: Noch bis vor einigen Jahrzehnten wurden jährlich 1.800 Tonnen Adlerholz geschlagen, was nach heutigem Maßstab eine unerhörte Menge darstellt. So wird das Holz im asiatischen und orientalischen Raum seit vielen Jahrtausenden zur Herstellung von Parfüm eingesetzt oder in hölzerner Form als Räucherstäbchen in spirituellen Ritualen genutzt.

 

Noch heute setzt die moderne Parfumindustrie die edle Note des Adlerholzes zur Produktion der weltweit teuersten Düfte ein. Die Destillation von trockenem Adlerholz erfolgt über verschiedenste Methoden: So kann das Holz vor der Extraktion in Chemikalien oder Wasser getränkt werden und es kommen zusätzliche Enzyme oder Bakterien zum Einsatz. Nachdem das ätherische Öl aus dem Räucherholz gewonnen wurde, lässt sich das verharzte Holz als einer der global exklusivsten Duftrohstoffe bezeichnen. Die Geruchspalette des Adlerholzes reicht von balsamisch und süß über rauchig und erdig bis hin zu würzig und bitter. Selbst Experten sind sich zum Aroma des Adlerholzes uneinig: Während einige an Steinpilz, Karotte, Jasmin, Holz und Erde erinnert werden, schwärmen andere von einer Komposition aus Süßgras, Sandelholz und Patschuli. Es heißt, dass kein anderer Geruch mit einer vergleichbar wohlduftenden Feinheit so tief in die Seele eindringen würde.

 

Neben der bereichernden Wirkung auf den persönlichen Körperduft ist Adlerholz auch als Räuchermittel zur angenehmen Aromatisierung von Wohnräumen in Gebrauch. Für diesen Verwendungszweck ist das Gehölz in Form überaus kostspieliger, betörend duftender Räucherstäbchen, Räucherkugeln oder Räucherkegeln erhältlich. So wird Adlerholz in der Räucherkultur gerne als Duftbegleitung bei der Meditation oder im Yoga eingesetzt, um negative Energien zu vertreiben und eine harmonische Atmosphäre zu schaffen.

 

Ob in der Parfumproduktion oder als Räucherholz – jedes einzelne Stück Adlerholz versetzt die Menschen mit seinem faszinierenden Duft ins Staunen. Für den individuellen Geruch des Holzes sind die klimatischen Bedingungen am jeweiligen Standort entscheidend. Aufgrund der witterungsbedingten Unterschiede entwickelt jeder einzelne Baum einen anderen Duft, wodurch jeder Splitter Adlerholz zu einem unnachahmlichen Unikat heranreift.

 

Adlerholz als spirituelles und kulturelles Erbe

Adlerholz wurde bereits im Altertum in den verschiedensten Kulturen als unbezahlbares Gut gehandelt. Die erste schriftliche Erwähnung von Seiten der Medizin entstammt dem ersten Jahrhundert nach Christus. Der griechische Arzt Dioskurides schätzte den wohltuenden Duft des Gehölzes als Parfumvariation und zur Bekämpfung unangenehmer Atemgerüche. Die erste dokumentierte Nutzung wird der Epoche um 1700 vor Christus zugeschrieben, als die Rinde des Adlerholzbaumes im Wechsel mit Weihrauch zum Räuchern genutzt wurde.

 

Obwohl auch Indien, Ägypten, Palästina und Arabien die Vorzüge des Adlerholzes schon vor Jahrtausenden erkannten, kam ihm in Japan seit jeher die größte Bedeutung zu. Eine landläufige Legende besagt, dass ein riesiger Splitter im 7. Jahrhundert an die Küste der Insel Awaij gespült wurde. Aufgrund seiner überdimensionalen Größe sollte das Holzstück verbrannt werden, wobei Prinz Shōtoku ein unvergleichlicher Duft in die Nase stieg. Er präsentierte seinen Fund dem damaligen Kaiser, der seither den Import von Adlerholz aus dem „Reich der Mitte“ befahl. Er fand heraus, dass jedes einzelne Stück über einen individuellen Duft verfügte. Dem Mythos zufolge wurde das Adlerholz nach dieser Beobachtung in verschiedene Qualitätsstufen eingeteilt, die noch heute zum Teil weit über dem Goldpreis gehandelt werden.

 

Eine nicht zu vernachlässigende Anzahl an Forschern ist davon überzeugt, dass Adlerholz unter dem hebräischen Wort „ahloth“ sogar eine Rolle beim Verfassen der Bibel spielte. Auch die persische Kultur schwärmte vom Adlerholz als eine außergewöhnliche Kostbarkeit. Mit seinem bezaubernden Duft wurde dem Gehölz eine magische Wirkung nachgesagt, die der Seele auf eine höhere Entwicklungsstufe verhelfen sollte. An besonderen Feiertagen im Islam, werden die Wohnräume mit dem wohlduftenden Holz ausgeräuchert. In Tibet wird Adlerholz bis heute zur Behandlung von psychischen Störungen und geistigen Krankheiten eingesetzt. Der intensive Duft soll die Geister der Krankheit erfolgreich vertreiben und die emotionale Stabilität des Patienten stärken.

  

Es lässt sich festhalten, dass der intensive, langanhaltende Nachklang des Adlerholzduftes von den verschiedensten Kulturen als spiritistisch und mystisch beschrieben wird. Die Trägerinnen und Träger sollen sich mit dem Auftragen des Duftes in eine andere Sphäre begeben und geistige Pforten öffnen können, die für gewöhnlich verschlossen bleiben. Die besondere Aura des Adlerholzes sei nicht für jeden Menschen spürbar – aber wer sich vollkommen darauf einlässt, soll eine gewisse Sensibilität entwickeln und vom Duft auf eine Reise in die feinstoffliche Welt entführt werden.

 

Dies ist wohl der Grund, warum das Auftragen des Adlerholz-Parfums auch heute noch gerne für Anlässe der intensiveren Art vorbehalten bleibt: Ob für den romantischen Hochzeitstag oder eine ausgiebige Meditation, als Körperduft oder zur Ausräucherung der Räumlichkeiten – nicht umsonst bekommt die Welt niemals genug von der einzigartigen Exklusivität des Adlerholzes.

 

 

 

April 19, 2022 — Ersan Vardar
Stichworte: Adlerholz Aoud Oud